Überall auf der Welt gibt es Kinderspiele. Und in jedem Land spielen Kinder mit gleicher Begeisterung. So auch in Kambodscha. Es ist Samstag, ein heißer Tag im August und wir freuen uns auf ein ganz besonderes Event: Eine große Kinderparty. Wo? Im Srah Srang Dorf. Eines der Dörfer im Angkor Park. Eines von allen dort, die keine Elektrizität haben (dürfen). Warum das so ist? Weil das seinerzeit so beschlossen wurde, damit nicht zu vielen Menschen im Angkor Park leben. Aber das ist eine andere Geschichte.
Abenteuerlich – die Fahrt zur Kinderparty
Die Hinfahrt zum Angkor Park beginnt mit einem kleinen Abenteuer. Kurzfristig haben wir noch Bekannte mit eingeladen, mit uns zu fahren und der Kinderparty im Dorf beizuwohnen. Mit zwei Tuk Tuks fahren wir los zum Srah Srang See. Doch am Eingang zum Angkor Park der große Schreck: Ein Parkwächter hält uns an. Wir dürfen nicht weiterfahren, da wir keine gültigen Angkor Pässe haben. Erst um 17.00 Uhr könne er uns passieren lassen, so seine ernsten Worte. Ansonsten müssten wir alle einen Angkor Pass kaufen, wenn wir früher auf das Gelände wollen. Selbst Seiyon kann den Parkwächter nicht überzeugen. Dass wir niemals nicht an diesem Tag auch nur einen Blick auf einen Angkor Tempel richten würden sondern nur in ihr Dorf am Srah Srang See fahren wollen um eine Party mit den dortigen Kindern zu feiern.
Nur leider kann uns der Wärter nicht einfach so eine Genehmigung erteilen, nachdem er uns erst die Durchfahrt untersagt hat. Mittlerweile spricht er mit seinem Vorgesetzten. Auch ich bettel ihn förmlich an und sage ihm, dass er uns gern begleiten kann, um sich von unserer Ehrlichkeit zu überzeugen. Dass wir Kindern eine Freude machen wollen. Dass die Kids sich schon alle freuen und die Enttäuschung bestimmt groß ist, wenn die Party nicht stattfindet. Immerhin: Er versichert uns, dass er unser Anliegen gut nachvollziehen kann, aber er kann nichts machen. Dabei spüren wir, dass er sich in einer moralischen Zwickmühle befindet, und er noch nicht so richtig weiß, wie er da wieder herauskommt. Schließlich kommt es nicht alle Tage vor, dass ein Haufen für ihn wildfremder Touris wirklich nur in ein Dorf zu einer Kinderparty will. So etwas hat er wohl noch nicht erlebt. Die Vermutung liegt nah, dass er uns für übergeschnappt hält, zumindest ein wenig.
Wir haben Glück!
Schließlich geht der Angkor Wärter ein paar Schritte weiter – so weit, bis er sich außer Hörweite befindet. Nach bangen Augenblicken kommt er zurück und teilt uns mit, dass wir doch weiterfahren dürfen. Was für eine Freude! Überschwänglich bedanken wir uns für seine Großzügigkeit, laden ihn noch einmal ein und setzen erleichtert und dankbar die Fahrt fort. Im Dorf am Chita’s Cafe angekommen dann die nächste Ernüchterung.
Kein Kind weit und breit…
Doch das kümmert niemand. Wir – die Barang – werden angewiesen, an einem der Tische Platz zu nehmen. Man habe extra für uns gekocht, da wir Gäste sind. Wir sind verwundert – eigentlich sollte jetzt eine Kinderparty stattfinden und nicht wir verköstigt werden? Egal… Wir wissen, dass Widerrede zwecklos ist und fangen an zu essen. Es schmeckt köstlich!
Kurze Zeit später tauchen die ersten Kinder auf. Und wie aus dem Nichts werden es immer mehr. Nach 20 Minuten ist der Vorplatz vom Chita’s voll mit aufgeregtem Kinderlachen und -Geplapper. Bevor die Kinderparty richtig losgeht, bekommen auch die Kids erst einmal was zu Futtern. Flugs nehmen sie an den Tischen Platz und mümmeln Brot mit getunkter Soße, Kartoffeln und etwas Fleisch. Ein durchdachtes Konzept: Das Servieren geht schnell und spart viel Geschirr ;-)
Ich beobachte Seiyon, sie hat alles „im Griff“. Nicht ein Kind, welches aus der sprichwörtlichen Reihe tanzt. Es scheint, als reiche eine Geste, ein Blick – ohne jegliche Druckausübung. Eine faszinierende Szenerie, an die ich noch lange denke. Nicht ein Kind ist laut, vorlaut, springt auf oder zankt. Und erst als Seiyon das Startzeichen gibt, stehen sie auf vom Tisch.
Alle Kinder begrüßen uns
Doch nicht bevor alle, wirklich alle Kinder uns auf kambodschanische Art begrüßen, indem sie ihre kleinen Hände zum Sampeah falten. „Sourm Sva Kum“ – „herzlich willkommen“ tönt es aus ihren hellen Kehlen. Das geht unter die Haut und mit einem „Orkun“ bedanken wir uns bei den Kids. Schnell lenken wir von uns ab: Wir applaudieren und rufen „Jetzt soll die Party beginnen“. Seiyon übersetzt auf Khmer und alle applaudieren noch einmal.
„Pünktlich“ fängt es an zu regnen…
Just in diesem Moment fängt es an zu regnen. Sun Sitha (Seiyon’s Mutter) zündet Räucherstäbchen an, um das Haus und alle Anwesenden zu schützen. Und siehe da, ein Wolkenbruch bleibt aus; lediglich ein kleiner Nieselregen tröpfelt auf uns herab.
Die Kids sammeln sich auf dem Gelände und warten gespannt auf das, was nun geschieht. Ich ahne bereits, was passieren wird, als ich Seiyon mit Babypuder hantieren sehe. Was Kim und Constance zu diesem Zeitpunkt erfahren: Sie sind mittendrin im Spiel. So ernte ich denn auch vielsagende Blicke :-)
Erstes Spiel: Das Münzenfangen
An sich lassen sich Münzen einfach fangen. Wenn sie denn geworfen werden. Wenn… Denn bei dieser Art Münzenfangen spielt das Babypuder sozusagen die Hauptrolle. Es geht also ordentlich pudrig zu.
Die Vorbereitungen
- Zunächst wird eine Reihe mit Stühlen gebildet (es können auch kleine Tische, Kisten oder ähnliches sein)
- Auf allen Stühlen wird ein Teller platziert.
- Auf die Teller kommen jeweils eine bestimmte Anzahl an Münzen. Wie viele das sind, richtet sich nach der Anzahl der Teilnehmer und Mannschaften.
- Auf jeden Teller kommt ordentlich Babypuder und zwar so viel, dass alle Münzen bedeckt sind.
Das Spiel
- Es werden Mannschaften gebildet. Für jeden Stuhl gibt es eine Mannschaft.
- Pro Mannschaft gibt es drei bis vier Spieler.
- Die Mannschaften stellen sich ein paar Meter entfernt von der Stuhlreihe auf.
- Sobald der „Startschuss“ fällt, läuft ein Mitspieler pro Mannschaft so schnell er kann zum Stuhl.
- Dort angekommen, muss er versuchen, eine Münze in den Mund zu bekommen. Die Hände darf er dabei nicht zur Hilfe nehmen, sie müssen auf dem Rücken gehalten werden.
- Wer eine Münze ergattert, springt auf und läuft mit der Münze im Mund so schnell wie möglich zurück zum Team.
- Dort angekommen, wird abgeklatscht und der nächste Spieler aus dem Team ist dran.
- Das Spiel endet, sobald eine Mannschaft alle Münzen eingesammelt hat.
Es dauert nicht lange, und schon sind alle mehr oder weniger eingepudert. Zumal Seiyon große Freude daran hat, zwischendurch immer mal wieder noch eine ordentliche Portion Babypuder zu verteilen. „Doch warum eigentlich Babypuder und kein Mehl?“, höre ich mich wundernd fragen. „Mit Mehl gibt es immer wieder Allergien“, so die Antwort aus dem strahlenden Gesicht von Seiyon, die voller Elan zwischen den Kindern herumwuselt.
Natürlich ernten die „Großen“ das meiste Gelächter. Besonders dann, wenn die Kids merken, dass die Mannschaften ihrer kleinen Freunde schneller sind. Oder wenn Seiyon so ganz nebenbei einen extra Puderstrahl auf die Großen herabrieseln lässt. Auch Vutha lässt sich den Spaß nicht entgehen – und wie es sich für einen kambodschanischen Mitspieler gehört trägt er ein richtiges Pudergesicht :-)
Zweites Spiel: Luftballontreten
Nach viel Puder, Anfeuern und Gelächter ist es Zeit für das nächste Spiel. Zwei Kinder bekommen die Augen verbunden und müssen Luftballons mit ihren Füßen zertreten. Das ist gar nicht so einfach, wie sich schon bald herausstellt. Denn auf Grund des aufgeweichten Bodens sind die Ballons noch glatter als sie eh schon sind und flutschen unter den Füßen weg. Drumherum haben die Kids großen Spaß und feuern die beiden euphorisch an. Von dieser Szene gibt ein kleines Video:
Zeit zum Abschied nehmen
Kurz darauf brechen wir auf, weil Kim noch am gleichen Abend nach Hause fliegt und wir sie zum Flughafen begleiten wollen. Trotzdem freuen wir uns riesig, dass wir bei der Kinderparty dabei sein durften. Für die Kinder geht die Party noch lange weiter und wir verdrücken uns still und leise um sie nicht zu stören. Hach, was für ein schönes Erlebnis! Vor allem die vielen fröhlichen Kinder! Es ist oft so einfach, anderen eine Freude zu machen. Und ich? Ich freue mich schon darauf, bei einer der nächsten Kinderparties wieder dabei zu sein :-)
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