In der aufstrebenden Stadt Siem Reap südlich der Tempel von Angkor gibt es nicht gerade wenige NGOs. Große, kleine und nicht ganz so kleine. Sie alle verfolgen das Ziel, vor Ort zu helfen. Manche von ihnen vielleicht mehr auf dem Papier, aber das ist ein anderes Thema. Camborea – unter der Leitung von Christophé Baillet – ist für mich eine der kostbaren Perlen unter den kleinen Organisationen. Diese Perle stelle ich Dir heute vor.
An diesem Nachmittag bin ich alles andere als fit. Die Radtour am Morgen hat so ziemlich an meinen Kräften gezehrt. Vor allem, weil eine unangenehme Erkältung mit Husten und Heiserkeit mich nachts kaum schlafen lässt. Aber egal … Ich bin mit Christophé verabredet, denn ich möchte endlich seine gemeinnützige Organisation Camborea kennen lernen. Damit Du direkt weißt, über wen ich hier schreibe, hier ein Foto von ihm, welches allerdings nicht von unserem gemeinsamen Nachmittag ist.
Pünktlich um halb drei holt Chris mich ab und drückt mir einen Helm in die Hand. Einen Helm bei 35° Außentemperatur zu tragen, zählt nicht unbedingt zu meiner Lieblingskleidung. Aber Sicherheit geht nunmal vor. Und der Verkehr auf Kambodschas Straßen ist alles andere als sicher. Zwar weiß der geneigte Kambodschaner schon, dass Rechtsverkehr gilt, aber das bedeutet noch lange nicht, dass er oder sie sich daran hält. Getreu kambodschanischer Gelassenheit fährt man halt einfach da entlang wo gerade Platz ist oder es zumindest so aussieht als wäre Platz vorhanden.
Chris lotst uns sicher durch den quirligen Verkehr auf Siem Reap’s Straßen. Einmal erschrecke ich mich und zucke zusammen, als ich ein Auto merklich dicht an meiner rechten Seite bemerke. Dafür handele ich mir posthum einen Rüffel von ihm ein. Wenn ich auf dem Motorrad herumzucke, erschreckt’s ihn direkt mit und da haben wir beide nichts von. Stimmt! Also ergebe ich mich meinem Schicksal, schalte auf Gleichmut und fokussiere mich darauf, mich als Sozi samt Helm – der natürlich zu groß ist und durch den Fahrtwind immer wieder in den Nacken flutschen will – auf dem Motorrad zu halten.
Auf zur Leang Dai Kommune im Norden von Angkor
Die Fahrt geht Richtung Norden am archäologischen Park von Angkor vorbei zur Leang Dai Kommune. Um uns herum breiten sich sattgrüne Landschaften aus. Vor allem Reisfelder, hier und da von einzelnen Palmen gesäumt. Zu meinem Erstaunen ist die Straße neu, obwohl sie kaum befahren ist. Da gibt es nach meinem Dafürhalten andere Straßen in Kambodscha, die es weitaus nötiger haben. Zum Beispiel die Hauptader zwischen Siem Reap und Phnom Penh. Aber wer weiß schon, was sich die kambodschanische Regierung dabei gedacht hat. Chris drückt ordentlich auf das Gaspedal, damit wir noch rechtzeitig ankommen. Die Sonne steht schon schräg am Himmel und ich will ja noch Fotos machen.
Nach einer guten dreiviertel Stunde halten wir an einem Haus aus Stein – mitten im Nichts. Hier ist ein Dorf, erzählt mir Chris, wobei ich ihn erstaunt anschaue eben weil ich weit und breit kein weiteres Haus oder zumindest eine Hütte erspähe. Genau das ist das Problem, erklärt er mir. Die Häuser und Hütten liegen weit voneinander verstreut auf dem Land. Das erschwert die Hilfe vor Ort und kostet zusätzlich Zeit auf Grund der weiten und oft unwegsamen Wege.
Brunnen sind nicht gleich Brunnen
Er zeigt mir einen Brunnen, der von einer anderen Organisation – also nicht von Camborea – stammt. Das Problem bei dieser Art Brunnen sei, dass er nicht tief genug ist und das Wasser nicht sauber ist. Meist werden diese Brunnen nur unzureichend oder gar nicht gewartet und trocknen auf Grund der geringen Tiefe manchmal sogar aus während der Trockenperiode. Über all diese Dinge macht Chris sich Gedanken, viele Gedanken. Und immer ist er auf der Suche nach einer Lösung, die ihn überzeugt.
Mehr gibt es hier nicht zu schauen, und wir fahren weiter zu einem anderen Brunnen. Diesen hat Chris mit seiner Organisation Camborea gebohrt. Aktuell sind es 25 und es sind noch weitere geplant! Auf dem Weg dorthin treffen wir auf eine Bäuerin, die Reis erntet. Der Brunnen ist tief, mehr als 50 Meter. Dadurch ist das Wasser sauber. Chris weiß das, weil er die Qualität des Wassers regelmäßig in einem Labor prüfen lässt. Dass er das macht, finde ich klasse! Schließlich weiß man nie, wie das so ist mit Wasser und Gesundheit.
Vier bis fünf Nachbarn teilen sich einen Brunnen. Dabei bekommen sie einen Brunnen nicht einfach geschenkt, sondern bezahlen dafür. Denn jeder kann etwas geben, so Chris‘ Worte. Man bezahlt mit Reis (in der Regel 10 Kilo) und etwas Geld. Meist so um die 1 bis 5 $. Das Geld bekommt Chris in einem Umschlag. Niemand soll sehen, wie viel der andere bezahlt. Nur Chris weiß den Betrag. Mit diesen geringen Summen ist ein Brunnen zwar nicht bezahlt, aber es gibt den Menschen das Gefühl, dass sie den Brunnen gebaut haben. Der Reis wird aufbewahrt und denen gegeben, die in der Dorfgemeinde in Not sind.
Eine Hütte weiter entdecke ich eine kleine Solaranlage, die auf einer Stange in Richtung Sonne thront. Daneben ein großer Wasserbehälter und in der Hütte ein Wasserkanister aus durchsichtigem Plastik mit einem kleinen Hahn. Mir erschließt sich der Sinn dieser Anlage nicht. Chris erklärt mir, dass dies eine spezielle Wasseraufbereitungsanlage für ein Baby sei, welches hier vor kurzem auf die Welt gekommen ist. Diese Anlage stammt nicht von seiner Organisation und ist vergleichsweise teuer. Mit dem Geld, die so eine Anlage kostet, könne er mehrere Brunnen bohren, die sauberes Wasser bereithalten. Irgendwie können wir uns beide nicht vorstellen, dass sauberes Trinkwasser aus der Anlage kommt.
Viel Technik in einer einfachen Hütte
Ich muss zugeben, dass ich die Effizienz dieser Anlage nicht so ganz nachvollziehen kann. Für meinen Eindruck viel zu viel Technik in einer einfachen Hütte. Zumal Kambodschaner gern auch mal alles zu Geld machen, wenn sich die Gelegenheit dafür gibt. Was meiner Meinung nach verständlich ist. Und gerade so eine Solaranlage kann mit etwas Glück bestimmt ein erträgliches Sümmchen einbringen.
Ein Nutzgarten für die Selbstversorgung
Doch ich habe noch nicht alles gesehen. Chris will mir noch den Nutzgarten von Camborea zur Selbstversorung für die Dorfgemeinde zeigen. Vor meinem inneren Auge kommen Bilder aus unseren heimischen Bauerngärten zum Vorschein mit blühenden Blumen aller Art. Ich bin gespannt! Am Garten angekommen, erblicke ich ein eingezäuntes Stück Land, welches sich wohl noch in den Anfängen zu einem Nutzgarten befindet. Auf mich wirkt es eher wie durcheinandergewirbeltes Gestrüpp. Doch hier und da kann ich Ansätze von Beeten und kleinen Kulturen erkennen. Und so wie ich Chris kenne, wird sich hier bald eine Oase befinden.
Ich sollte Recht behalten, nur drei Monate später postet Chris dieses Foto vom Garten auf seiner Facebook-Seite. Der Unterschied ist gigantisch!
Mittlerweile gerate ich an den Rand meiner körperlichen Kapazitäten, doch Chris will mir unbedingt noch etwas ganz Besonders zeigen. Er schaut mich genau an und befindet, dass ich von einem Zusammenbruch noch weit entfernt sei. Also stolpere und stapfe ich entschlossen durch das Dickicht und hinter ihm her. Am Ziel angekommen platziert er mich im Schatten gegenüber einem riesigen Baum der majestätisch in den Himmel ragt.
Ein majestätischer Baum mit einer uralten Geschichte
Chris wirkt mit einem Mal aufgeregt, er räuspert sich merklich. Es scheint als würde er nach den richtigen Worten suchen. Ich spüre, dass dies der allerwichtigste Moment unseres Treffens für ihn ist und er alles richtig machen will. Hochkonzentriert und mit leuchtenden Augen beginnt er zu erzählen. Das was ich hier sehe, ist nicht einfach nur ein Baum, sondern ein Ort des Friedens. So sollen zu Zeiten der Roten Khmer keine Kämpfe an diesem Ort stattgefunden haben. Und das, obwohl nur wenige hundert Meter entfernt gekämpft wurde. Aber hier an diesem Baum war immer Frieden. Aus Respekt vor Ta Kwong, dem Architekten von Angkor Wat.
Der Legende nach lebte Ta Kwong zu jener Zeit genau an diesem Ort. Also vor Hunderten von Jahren. Nach seinem Tod ist er in den Baum gezogen vor dem ich jetzt sitze und seitdem wird der Baum von den Kambodschanern verehrt. Nach einiger Zeit befanden sie jedoch, dass der Baum auf Dauer nicht komfortabel genug für den ehrwürdigen Architekten sei. Also errichteten sie einen Steinwurf entfernt einen kleinen Schrein für Ta Kwong. Seitdem wandelt sein Geist so manches Mal in den Schrein, um sich etwas auszuruhen. Schließlich möchte Ta Kwong seine Dankbarkeit gegenüber den Kambodschanern zeigen. Doch die meiste Zeit bewohnt er den Baum. Und wirklich: Je länger ich den Baum betrachte und gebannt den Worten von Chris lausche, umso mehr glaube ich, dass sich Ta Kwong gerade in diesem Moment vor mir im Baum aufhält. Ich bekomme Gänsehaut und ganz langsam verstehe ich, was hier eigentlich passiert.
Auch heute noch halten hier Mönche ihre buddhistischen Zeremonien zusammen mit den Einheimischen ab. Chris ist schon einige Male dabei gewesen.
Eine Schule am Ort der Magie
Während ich so ziemlich am Rande meiner Kräfte bin, überkommt mich der Eindruck, dass ich mich an einem der wohl magischsten Orte in Kambodscha befinde. Genau hier an diesem Ort plant Chris zusammen mit seiner Organisation eine Schule zu bauen. Das war nicht seine Idee, erzählt er mir. Die kambodschanischen Einheimischen der Gegend haben ihn gefragt, was er davon halte. Der Weg zur Schule ist weit und über die schnelle Straße zusätzlich noch gefährlich. Also sammelt er jetzt Geld, um das Projekt zu verwirklichen. Und ich kann mir keinen besseren Ort für eine Schule vorstellen. Ein Ort des Friedens, vereint mit den Wurzeln der kambodschanischen Kultur. Ein Ort, an dem Kinder diese Wurzeln verstehen und leben können. Ein Ort der Begegnung für kulturelle Identität, damit diese nicht in Vergessenheit gerät. Ein ambitioniertes Ziel, welches Geld kostet.
Wenn Du helfen möchtest: Camborea sammelt aktuell Spendengelder für das Schul-Projekt. Links dazu findest Du am Ende dieses Artikels. Hier auf diesem Reisfeld soll die Schule entstehen.
Doch so leid es mir tut, aber ich kann mich kaum konzentrieren und ich möchte langsam heim. Wir treten die Rückreise an und Chris hält noch an einem kleinen Geschäft am Straßenstand. Dort kauft er mir gesüßten Tee und ein paar Kekse, die köstlich nach Kokos schmecken. Bereits nach kurzer Zeit geht es mir merklich besser! Mir hat wohl Zucker gefehlt und ich marschierte trotz reichlicher Flüssigkeitszufuhr in Form von Wasser fröhlich auf eine Art Dehydration zu. Ich nehme mir vor, von nun an regelmäßig diesen Tee zu trinken und auf meinen Zuckerhaushalt zu achten.
So sehen sie aus die Kekse – es sind die in den Tütchen auf der linken Seite des Fotos.
Während wir da so sitzen und ich mich noch etwas ausruhe, kommt eine Hündin des Weges. Hunde können ja bekanntlich selbst Steine mir ihren Augen erweichen. So dauert es denn auch keine Sekunde, bis ich ihr ein ums andere Keks-Stückchen gebe. Sicherlich nicht die beste Hundenahrung, aber ich kann einfach nicht anders. Noch nie in meinem Leben habe ich einen Hund erlebt, der etwas so vorsichtig aus meiner Hand nippt wie diese Hündin. Ihre Schnauze berührt kaum meine Finger. Ich bin hin und weg und schockverliebt! Wie sich herausstellt, gehört die Hündin zum Geschäft und sie sieht auch gut und vergleichsweise gepflegt aus, was mich sehr freut.
Noch ein paar Keks-Stückchen und dann geht die Fahrt zurück nach Siem Reap wo ich mich erschöpft aber glücklich und dankbar von Chris verabschiede.
Im Hotel angekommen, schaue ich mir direkt die Fotos an und muss besonders über diese beiden schmunzeln.
Die Variante von Camborea gefällt mir weitaus besser. Wenn sich dort ein pikantes Kleidungsstück herumlümmelt, kann es den Namen des Spenders nicht überdecken, weil er nicht eingraviert ist ;-) Überhaupt verstehe ich eh nicht so ganz, wieso da oftmals gern die Namen der Spender mit an die Brunnen angebracht werden. Von dem Geld für so ein Schild lassen sich sicherlich sinnvollere Dinge finanzieren. Aber na gut, besser ein Brunnen mit Spendernamen als gar kein Brunnen. Obwohl …
Was für ein denkwürdiger und ereignisreicher Tag!
Über Camborea
2015 hat der Franzose Christophé Baillet Camborea zusammen mit seiner kambodschanischen Frau Sina gegründet. Mit Hilfe von Freunden und ihrem Netzwerk gelingt es ihnen, Hilfe vor Ort in der abgelegenen Leang Dai Kommune zu leisten. Ich mag Camborea sehr, weil ich Chris und seine Frau Sina mag. Weil es eine kleine Organisation ist, die mit viel Herzblut und vergleichsweise wenig Mitteln Großartiges leistet.
Was mir noch gefällt: Chris ist klar in seinen Aussagen und Handeln. Sein Herz schlägt für das Wohlergehen der Kambodschaner. Dabei ist er ein sparsamer Fuchs und achtet sehr genau darauf, dass die eingesetzten Mittel nachhaltig den größtmöglichen Nutzen erzielen. Wenn Du ihn treffen möchtest, dann kannst Du damit rechnen, dass er Dir Kambodscha nicht (nur) durch eine rosarote auf Touri getrimmte Brille zeigt.
Camborea unterstützen
- Crowdfunding Seite bei Leetchi für den Bau der Schule.
- Die Website von Camborea – hier kannst Du auch für die Schule spenden.
- Die Facebook-Seite von Camborea – Du kannst der Seite folgen und Posts mit Deinem Netzwerk teilen.
- Volunteering – Chris und Sina freuen sich, wenn Du Dich einbringst und bei den Projekten mithilfst. Schicke dazu einfach eine Nachricht an [email protected]. Und bestell Grüße von mir :-)
- Und hier noch ein lesenswerter Artikel über Camborea bei SiemReap.net.
Affiliate*
Phare, der kambodschanische Zirkus
DAS Highlight in Siem Reap! Direkt Karten auf der Website von Zirkus Phare online kaufen*.
Artikel über Zirkus Phare hier bei Visit Angkor.
Bei Links und Hinweisen mit einem * handelt es sich um einen Affiliate Link (Werbelink). Wenn Dir Visit Angkor gefällt und Du etwas über einen Affiliatelink kaufst, buchst oder abonnierst, gibt es vom Anbieter eine kleine Provision für Visit Angkor. Für Dich entstehen selbstverständlich keine zusätzlichen Kosten.
Hat Dir der Beitrag gefallen? Dann folge Visit Angkor auf Facebook und werde Mitglied in unseren Facebook-Gruppen Kambodscha Liebe – We Love Cambodia und Kambodscha – Perle Südostasiens. Dort findest Du weitere Beiträge über Kambodscha. Und schreib uns gern hier in den Kommentaren oder schicke uns eine Nachricht. Wir antworten auf jeden Fall, versprochen!
Übrigens: Wir schreiben hier bei Visit Angkor mit viel Herzblut und Liebe. Trotzdem kann es mal vorkommen, dass Informationen enthalten sind, die nicht mehr aktuell oder vielleicht sogar falsch sind. Hier freuen wir uns über Deine Nachricht, um die Infos entsprechend anzupassen. Dankeschön!
Und über eine Sternchenbewertung von Dir (hier direkt unter dem Text) freuen wir uns natürlich auch :-)