Diese Frage beschäftigt mich seit einigen Tagen, seit ich den fantastischen China-Blog von Ulrike und ihre Blogparade über Authentizität auf Reisen entdeckt habe. Und so habe ich beschlossen, mich mit einem eigenen Beitrag an dieser Blogparade zu beteiligen.
Was verstehe ich unter authentischem Reisen?
Als erstes kam bei mir die Überlegung auf, aus welcher Perspektive sich diese Frage am besten beantworten lässt. Geht es bei dem Thema um Reisende? Dahingehend, ob sie authentisch sind? Oder geht es darum, wie sich ein Land oder ein Ort präsentiert? Geht es um die Rahmenbedingungen für eine Situation oder Begegnung in einem für uns bis dahin unbekannten Umfeld wenn wir authentischem Reisen sprechen?
Laut Duden bedeutet authentisch sein echt; den Tatsachen entsprechend und daher glaubwürdig – doch was bedeutet echt und den Tatsachen entsprechend, wenn wir uns auf Reisen befinden? Ich behaupte, dass alles authentisch ist, was wir auf Reisen erleben. Dies basierend auf dem einfachen Prinzip von Angebot und Nachfrage und dem Auge des Betrachters. Insofern sind selbst Clubangebote, die als urbane und nach außen abgeschottete Ausflugsziele teils inmitten von Wüste und Armut entstehen, durchaus als authentisch zu bezeichnen. Hier geht es den Reisenden in erster Linie um das echte Cluberlebnis und nicht um das bereiste Land.
- Wenn ich mich in Siem Reap nur zwischen Pub Street und Hotel hin und her bewege, ist dies für sich betrachtet authentisch. Dieses Verhalten ist echt, es entspricht den Tatsachen und ist somit glaubwürdig. Obwohl ich auf der Pub Street niemals das „echte“ Kambodscha kennenlernen werde. Oder vielleicht doch?
- Wenn ich mir an einem kleinen Stand im archäologischen Park von Angkor eine Cola kaufe, wirkt dies oberflächlich betrachtet erst einmal nicht als authentische Situation. Gehört Cola mitnichten auf die Liste der Dinge, die Kambodscha in der Wahrnehmung von außen für Menschen wie mich so einzigartig macht. Dennoch ist die Situation gleichermaßen authentisch, wie wenn ich das frische Wasser aus einer gerade geöffneten Kokosnuss trinke.
- Wenn ich in Kambodscha in einem unbeobachteten Moment einen einheimischen Mönch in einer Pagode fotografiere, ist dies ein authentischer Moment. Was aber, wenn dieser Mönch mit einem Smartphone telefoniert? Und was, wenn ich dem gleichen Mönch in meinem Heimatland begegne und ihn in einem unbeobachteten Moment fotografiere?
Authentisches Reisen – liest sich für mich wie der Anspruch an Einzigartigkeit, an Nähe, an besseres Verstehen der Dinge vor Ort. Denn überall dort, wo ich mich außerhalb meiner eigenen Heimstatt (Wohnung im engeren Sinne) befinde, ist die Welt für mich anders und neu. Dazu braucht es aber noch nicht einmal ein anderes Land – es reicht eine andere Stadt und selbst in der eigenen Stadt bieten die Stadtteile ein unvergleichliches Flair. Ich kann mich noch gut an ein Erlebnis von vor rund 35 Jahren in einer Kneipe im Düsseldorfer Stadtteil Kappeshamm erinnern. Kappeshamm, der Ort wo der Kappes – der Kohlkopf – auch heute noch auf den Feldern direkt hinterm Rheindamm wächst. Dort in besagter Kneipe saßen ein paar ältere Herren um einem schweren Holztisch und schnabulierten lautstark über dies und das. Und obwohl ich gebürtige Düsseldorferin bin: Davon verstanden habe ich kein Wort! Dabei waren die Herren mehr als authentisch – authentisch für eine Stadt, die ich von Geburt an „kenne“. Und doch fühlte ich mich – gerade mal 5km von meiner Heimstatt entfernt – in einer völlig anderen Welt.
Unser Werteverständnis prägt die Sichtweise
Für mich ist es das eigene Werteverständnis, welches den Anspruch nach der richtigen Authentizität beim anderen – das fremdartige Land, die Kultur usw. – ausmacht. Es ist die eigene Sichtweise auf die Dinge, was gut und was nicht so gut ist. Und es geht mittlerweile sogar noch einen Schritt weiter. Dahingehend, was authentisch sein darf und was nicht. Gehörte z.B. noch vor wenigen Jahren der spanische Stierkampf mit zu den prägendsten authentischen Eigenarten dieses Landes, gilt er nunmehr als moralisch verwerflich und wird von Amtswegen verboten. Die Zeiten und ihre Wertevorstellungen ändern sich und nichts ist bekanntlich so stetig wie die Veränderung.
Von Myanmar wird behauptet, es sei einer der wenigen Orte, an dem Reisende aktuell noch das richtige und unberührte Asien erleben können. Und es sei nur eine Frage der Zeit, bis Pauschal-Touristenströme das Land erobern und ganz Myanmar seinen Zauber verliert. Doch ist nicht das, was wir so gern als Zauber fremder Kulturen sehen in Wirklichkeit täglicher Lebenskampf der Menschen vor Ort? Ist es dagegen nicht so, dass viele Touristen wiederum viel Geld in ein Land bringen? Geld, welches neue Infrastrukturen und Arbeitsplätze schafft und somit zum Lebensunterhalt der Einheimischen beiträgt. Wobei natürlich auch hier nicht alles Gold ist, was gerade glänzt. [[Dazu findest du übrigens einen interessanten Artikel von Teilzeitreisender.de im Rahmen dieser Blogparade.]] Doch überall auf der Welt leben ganze Regionen allein vom Tourismus.
Berlin – touristische Hochburg
Jährlich werden die Tempel von Angkor von Millionen Touristen besucht und an den Hotspots wie z.B. der Sonnenaufgang direkt vor dem Haupttempel Angkor Wat ist allmorgendlich die sprichwörtliche Hölle los. Aber eben nur, weil jede(r) – so auch ich – meint, unbedingt zu dieser Uhrzeit genau an diesem Ort ein Foto machen zu wollen. Wobei zeitgleich Totenstille an allen anderen Orten im Angkor Park herrscht. Bereisten 2014 rund 4,5 Millionen Menschen das Land Kambodscha, waren es im gleichen Jahr 11,9 (!) Millionen allein in Berlin. Ein Vergleich, der vielleicht hinken mag. Doch war ich selbst erstaunt, dass Berlin von so viel mehr Menschen bereist wird als ganz Kambodscha. Und trotz dieser Zahlen habe ich nicht den Eindruck, dass Berlin an Authentizität verliert – im Gegenteil.
Mein Fazit:
Letztendlich stelle ich für mich fest, dass authentisches Reisen immer im Auge des Betrachters liegt – es hängt nicht davon ab, ob ein Ort von weniger oder mehr Menschen bereist wird. Ob bereits touristisch erschlossen, oder nicht. Es mag einer Art verklärter Spätromantik geschuldet sein, dass wir uns gern allein an einem besonders tollen Ort der Welt befinden. Doch tun wir gut daran, diese Spätromantik nicht allein für uns selbst beanspruchen zu wollen. Man muss halt auch gönnen können, behaupte ich mal.
Auch wenn es Reiseangebote gibt, die authentische Reise-Erlebnisse propagieren, dies um sich in der Vielfalt der Angebote eine Nische zu schaffen; und ganz gleich, ob wir als Pauschal- oder Individualtouri unterwegs sind – ob es dann vor Ort die Authentizität gibt oder nicht: Es liegt immer noch an uns und unserem eigenen Blickwinkel mitsamt Werteverständnis was wir wie an welchem Ort auch immer in der großen weiten Welt bei unseren Erlebnissen auf Reisen empfinden. Und schlussendlich will/braucht jedes Hotel, Restaurant, Souveniergeschäft & Co. nur eins: Unser aller Geld ;-)
Übrigens: Wenn du weitere Artikel zu diesem Thema lesen möchtest, findest du alle gesammelt direkt bei der Blogparade von Ulrike. Ich wünsche dir viel Spaß beim Stöbern :-)
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„Doch ist nicht das, was wir so gern als Zauber fremder Kulturen sehen in Wirklichkeit täglicher Lebenskampf der Menschen vor Ort?“ – Das kommt mir auch immer wieder in den Sinn… Ein Backpacker erzählte mir mal ganz begeistert von einem Ort in Kambodscha (glaube ich) und dass er diesen Ort noch besuchen konnte bevor es dort Strom gab. Jetzt dagegen mit der modernen Stromversorgung sei das ja dort auch nicht mehr dasselbe und eben nicht mehr so „authentisch“ wie vorher, meinte er dann verächtlich. Ich frage mich, ob er zu Hause gerne ohne Strom leben würde? Sicher gibt es Menschen, die glücklich ohne Strom leben, aber ich könnte mir vorstellen, dass die Modernisierung für die Menschen in jenem Dorf vor allem auch eine Erleichterung war. Und warum soll es nicht authentisch sein, wenn Menschen in anderen Erdteilen die gleichen Annehmlichkeiten genießen wie wir? Ich sitze ja als junge deutsche Frau auch nicht mehr wie einst Goethes Gretchen am Spinnrad, sondern an meinem Lap-Top. Das dürfte die japanischen Touristen hier sicher auch sehr enttäuschen ;-)
Ohje, solche Menschen sind wohl eher für den Besuch eines Zoos geeignet, behaupte ich mal ganz ketzerisch :-) Im übrigen leben die Menschen im archäologischen Park von Angkor immer noch ohne Strom. Dies aus dem Grund, weil dort kein Strom erlaubt ist. Die Apsara Authority will damit vermeiden, dass sich zu viele Menschen auf dem Gelände ansiedeln.
Und was Fortschritt, Technik & Co. angeht: Klar, da stimme ich dir vollends zu – gleiches Recht für alle!
LG :-)
Interessanter Vergleich, das mit Berlin. Damals in München hatte ich auch nie das Gefühl, dass die Touristen die Authentizität zerstören. Ob’s vielleicht daran liegt, dass ich dort bestimmte Orte ohne Touristen einfach nicht kenne?
Ich war immer der Meinung, dass sehr viele Touristen nach Kambodscha reisen. Hatte mir da nie so Gedanken gemacht, welche Anzahl denn jetzt wirklich dem „Massentourismus“ zugeordnet. Bis mir ein guter Freund erzählte, dass es in Berlin so viel mehr sind – ich konnte das zunächst überhaupt nicht glauben. Mein Heimatland nehme ich irgendwie anders wahr – eben so gar nicht als touristisch super interessant für Menschen anderer Nationen. Vielleicht sind’s in Berlin aber auch viele Menschen, die zur Messe kommen – ich muss da nochmal genau nachschauen. Die Zahl der Übernachtungen kommt aber auf jeden Fall hin.
München ist und bleibt München – allein schon wegen dem Oktoberfest :D
LG :)
Danke, Inga, für den tollen Beitrag! Ist schon verlinkt
LG
Ulrike
Hallo Ulrike,
ja, deine Blogparade ist wirklich klasse!! Danke dir sehr dafür und vielen Dank für die Info mit der Verlinktung. LG :) Inga
Hallo Inga,
toller Beitrag zu der interessanten Blogparade. Ich bin auch der Meinung, es ist schon schwer den Begriff Authentisch beim Reisen richtig einzuordnen. Umso schwerer ist es zu sagen, was ist denn nun authentisches Reisen. Das muss doch jeder für sich definieren.
So, jetzt geh ich mal ein wenig lesen hier, denn im Februar planen wir ein paar Tage in Angkor Wat zu sein.
LG Thomas
Hallo Thomas,
vielen lieben Dank für deinen Kommentar! Ja, ich hatte beim Schreiben auch so meine Zweifel, von welcher Seite ich das Thema am besten angehe. Dein Artikel zur Blogparade hat mir auch sehr gut gefallen – hab ihn vorhin gelesen. Und ja, es sind unsere Erinnerungen, die über die Authentizität entscheiden und die Natur sowieso. Du hättest deinen Beitrag auch gern hier mit verlinken können – dann mach ich das jetzt einfach mal: https://www.reisen-fotografie.de/authentisch-reisen/
Wenn du Fragen zu Kambodscha hast, melde dich gern – wir haben viele Freunde dort. Ich werde diesen Sommer wieder in Siem Reap sein und freu mich total!
LG :)
Inga