Es ist soweit: Alle Fotos für die „Foto-Verschenken-Tour“ sind ausgedruckt und laminiert. Das Laminieren ist wichtig, damit sie nicht zerfleddern. Denn das tun Fotos gern Kambodschas subtropischer Feuchtigkeit. Einmal laminiert halten sie dagegen ewig. Das Klima ist einer der Gründe, warum nahezu alles einzeln verpackt ist. Kekse, Kräcker – auch Hygieneartikel wie Slipeinlagen…
Station eins: Der Pshar Leu Markt
Erstes Ziel ist ein kleiner Marktstand im Pshar Leu Markt in Siem Reap. Der Ort, wo es eines der für mich sagenhaftesten Frühstücke unter der Sonne gibt. 2013 war ich zum ersten Mal dort und schwärme immer noch von den Delikatessen. Genau an diesem kleinen Marktstand ist das Foto hier entstanden (rechts das sagenhafte Frühstück). Eine Dame mit einer wunderbaren Ausstrahlung, innerer Würde und Ruhe – inmitten des quirligen Treibens auf dem Markt.
Ich erzähle Christophe von meinem Projekt. Er weiß wo der kleine Marktstand ist und ich frage ihn, ob die Dame noch dort sei. „Sicher“, meint er. „Komm, lass uns sie zusammen besuchen, sie wird sich sicher freuen!“ Gesagt getan – am nächsten Morgen treffen wir uns um halb sieben vor dem Markt. Ich bin total aufgeregt. Wie wird sie reagieren?
Doch leider ist sie nicht anwesend. Dafür aber ihre beste Freundin und wir geben ihr das Foto. Was dann geschieht, berührt mich zutiefst. Die Überraschung und der liebende Gesichtsausdruck, mit denen sie das Foto betrachtet – einfach umwerfend! Sichtlich gerührt zeigt sie das Foto herum, und schaut es sich immer wieder an. Erst nach einiger Zeit legt sie es beiseite. Ich spüre regelrecht ihre Vorfreude, wenn sie ihrer Freundin das Foto geben wird. Zwar bin ich dann nicht dabei, aber ich freue mich trotzdem. Und wer weiß: Vielleicht erwische ich ja beim nächsten Mal die „richtige“ Dame und gebe ihr dann ein neues Foto.
Vielleicht entwickelt sich hier eine Art Never ending story? Wir werden sehen :-)
Station zwei: Am Ausgang vom Ta Prohm Tempel
Jetzt besuche ich die Großmutter mit ihrem Enkel am Ta Prohm Tempel. Sie ist der Auslöser für mein „Foto-Verschenken-Tour“ Projekt gewesen und bei diesem Besuch bin ich besonders aufgeregt. Wie wird sie reagieren?
Genau im richtigen Moment hält Van Soun die Übergabe des Fotos fest. Zwar ist ihr Gesicht vielleicht nicht so gut zu erkennen, trotzdem sieht man ihr die große Überraschung und Freude an, als sie sich und ihren Enkel auf dem Foto erkennt. Ich glaube sogar, dass sie mich wiedererkennt. Ein klein wenig vielleicht…
Schnell versammeln sich Schaulustige um uns herum. Irgendwer ruft, dass wir zusammen ein Foto machen sollen. Wie bei „offiziellen“ Fotos üblich, ist der Blick bei Kambodschanern ernst. Aus gegenseitigem Respekt berühren wir uns nicht. Je länger ich mir das Foto anschaue umso mehr käme mir ein Foto mit meinem Arm über ihrer Schulter sogar merkwürdig, ja fast degradierend ihr gegenüber vor. Es ist gut so wie es ist.
Dem Jungen, der mir beim letzten Mal etwas verkaufen wollte und stattdessen Kräcker von mir bekommen hat, kann ich sein Foto nicht überreichen. Mit einem Wink hin zum Gebüsch erfahre ich, dass er zu Hause ist. Ich denke mal, dass er das Foto auf jeden Fall bekommen wird.
Nun der zweite Teil meines Besuchs: Ein T-Shirt kaufen. Und zwar von einem Erwachsenen. Da die Großmutter nur ganz wenig Englisch spricht und ich noch weniger Khmer, übersetzt Van Soun ihr mein Anliegen in die Khmer Sprache. Sie ruft eine junge Frau herbei. Diese trägt mehrere Shirts auf dem Arm und zeigt mit ein graues mit buntem Druck auf der Vorderseite. Das Shirt gefällt mir sofort – ich bin begeistert! Schnell werden wir uns handelseinig und ich freue mich über meine neue Errungenschaft.
Es scheint sich herumzusprechen, dass ich ein kaufbereiter Kunde bin. Vor allem Kinder umringen mich und wollen mir etwas verkaufen. Van Soun an meiner Seite teilt ihnen geduldig mit, dass ich nur bei Erwachsenen kaufe. Es dauert eine Zeit, bis sie verstehen (wollen), dass sie keine Chance haben. Aber ich lasse mich nicht umstimmen – auch wenn mir das alles andere als leicht fällt. Ich muss zugeben, dass ich mich mit Kräckern auf diesen Moment vorbereitet und diese zwecks moralischer Unterstützung verteilt habe. Man möge mir bitte verzeihen. Und im Vergleich zu dem, womit manch ein Kind hierzulande regelrecht „zugeschüttet“ wird, wird ein Kräcker bei kambdoschanischen Kindern sicherlich nicht allzu viel Unheil anrichten.
Die Sache mit kambodschanischen Produkten
Ob es sich bei dem Shirt um ein in Kambodscha hergestelltes Produkt handelt, ist für mich nicht wichtig in diesem Moment. Viel wichtiger ist für mich, dass ich an einem Ort etwas gekauft habe. Ein Ort, an dem viele Kambodschaner tagtäglich darum kämpfen, den einen oder anderen Dollar für ihren Lebensunterhalt einzunehmen. Ich denke mal, dass sie nicht alle die Möglichkeit haben, original kambodschanische Produkte einzukaufen und lieber auf noch günstigere Waren aus dem Ausland zurückgreifen. Ein Umstand, den ich gut nachvollziehen kann.
Und wie sich später noch herausstellt: Das Shirt ist von richtig guter Qualität. Der Druck verblasst auch nach mehrfachem Waschen nicht und sieht noch genauso schön aus wie am ersten Tag.
Was es mit dem Shirt eigentlich auf sich hat
Natürlich bringt so ein einzelnes T-Shirt überhaupt nichts und du fragst dich sicherlich, warum ich so ausführlich darüber schreibe. Der Grund dafür ist schnell erzählt: Wir Touris – Fremde = Barang – werden dazu angehalten, nichts bei Kindern zu kaufen. Das ist auch richtig so! Leider entsteht aber der Reflex, dass auch nichts bei Erwachsenen gekauft wird. Doch benötigen die Erwachsenen ein Einkommen, um ihre Familien zu versorgen.
Die Idee: Wenn möglichst viele nur bei Erwachsenen und nicht bei Kindern kaufen, lohnt es sich für die Kambodschaner nicht mehr, die Kinder vorzuschicken. Mehr darüber erfährst du hier im Blog im Artikel „Warum Kinder betteln in Siem Reap und was du dagegen tun kannst.“
Der dritte Schauplatz: Eine Familie am Siem Reap Fluss
In der Nähe unseres Gästehauses treffen wir regelmäßig auf eine Familie. Mutter, Vater, Oma, Kinder – sie alle leben in einer kleinen Hütte direkt am Siem Reap Fluss. Schon von weitem begrüßen sie uns und wir winken uns gegenseitig zu. Ein ca. fünfjähriger Junge aus der Familie spielt jedes Mal „Give me Five“ mit mir – seine Mutter ist immer dabei und beobachtet das Geschehen. Diese beiden Fotos – eins von der Oma und eins von dem Jungen und mir in Aktion – sollen den Besitzer wechseln. Ich bin gespannt!
Die Großmutter lächelt. Auch bei ihr gelingt die Überraschung. Zunächst ist sie etwas scheu, als ich auf sie zugehe und ihr das Foto überreiche. Doch als sie sich auf dem Foto erkennt, leuchtet ihr ganzes Gesicht.
Der kleine Junge steht staunend vor dem Foto und scheint zu grübeln, was es denn damit auf sich hat. Im Hintergrund ist die strahlende Großmutter zu sehen. Übrigens: Auf dem Foto trage ich das T-Shirt, welches ich mir am Ta-Prohm Tempel gekauft habe :-)
Eigentlich wollte ich noch mehr Fotos verschenken, doch ich treffe die Kambodschaner nicht an. Ist leider so und lässt sich nicht vermeiden. Aber ich freue mich über die einzigartigen Begegnungen und werde auf jeden Fall mit diesem Projekt weitermachen.
Vielleicht habe ich dich inspiriert und du schenkst ebenfalls Fotos an Kambodschaner, die du vorher fotografiert hast. Ganz besonders freue ich mich, wenn du den Artikel „Warum Kinder betteln in Siem Reap und was du dagegen tun kannst“ mit deinen Freunden teilst, damit möglichst viele Touristen etwas bei Erwachsenen kaufen.
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